Milchpreissturz existenzgefährdend: Für eine andere Agrarpolitik in der EU

Umwelt & Energie

Schleswig-Holsteins Milchbauern wollen ihren Protest gegen die zu niedrigen Erzeugerpreise fortsetzen. Am 29. April ist ein weiterer Aktionstag geplant. Die Landwirte fordern, das Überangebot an Milch zu reduzieren. Sinkende Absätze im In- und Ausland hätten die Weltmarktpreise für Milch auf einen historischen Tiefststand gedrückt.

Schleswig-Holsteins Milchbauern wollen ihren Protest gegen die zu niedrigen Erzeugerpreise fortsetzen. Am 29. April ist ein weiterer Aktionstag geplant. Die Landwirte fordern, das Überangebot an Milch zu reduzieren. Sinkende Absätze im In- und Ausland hätten die Weltmarktpreise für Milch auf einen historischen Tiefststand gedrückt.

In ganz Europa seien die Meiereien nicht mehr in der Lage, den Milchbauern kostendeckende Preise zu zahlen. In Schleswig-Holstein zahlen sie zurzeit nur noch rund 20 Cent pro Kilogramm Milch – ein knappes Drittel weniger als 2008. Die Bauern reagieren auf den Preisverfall, indem sie ihre Kühe Jahr für Jahr zu noch größeren Höchstleistungen anhalten. Jährlich werden in Schleswig-Holstein in 5.559 Betrieben von 373.200 Milchkühen ca. 2.38 t Mio. Tonnen Milch erzeugt. 16 Meiereiunternehmen verarbeiten den Rohstoff Milch zu hochwertigen Produkten. (Zahlen von 11/2008). Damit liegt die Milchproduktion mit 8,4 Prozent in vierter Stelle in Gesamtdeutschland.

Bei den wochenlangen Bauernprotesten im Mai und Juni 2008 lieferte ein Teil der Landwirte keine Milch mehr an die Molkereien. Vereinzelt kam es auch zu Blockaden von Molkereien. Große Handelskonzerne hoben auf Druck der Bauern die Milchpreise an. Die nachgebesserten Verträge der Molkereien mit den Handelsriesen liefen aber schon nach wenigen Monaten wieder aus. Im November 2008 begannen Handelskonzerne mit umfangreichen Preissenkungen bei Milchprodukten.

Aktuell ist der Milchmarkt in einem desolaten Zustand. Das Angebot übersteigt die Nachfrage weit und die Erzeugerpreise für Milch und Milchprodukte sinken rasant. In fast allen europäischen Ländern ist der Basispreis unter die 30 Cent-Marke gerutscht, in Deutschland zahlen einige Molkereien nur noch 19 Cent pro Liter. Die Situation ist für viele Betriebe akut existenzbedrohend.

Der schon länger andauernde Preisdruck der weiterverarbeitenden Agrar-Industrie (Molkereiwirtschaft) auf die Milch prodizierenden Betriebe zwingt diese, wenn sie ihre Existenz erhalten wollen, zu einer Maximierung der Milchproduktion. Die Kühe müssen mehr Milch geben, werden dazu jedes Jahr aufs Neue künstlich befruchtet. Unnatürliche Melkzyklen führten zu Euterentzündungen, die wiederum mit Antibiotika behandelt werden müssten. Diese müssen teuer bezahlt werden. Eine Abkehr von der einseitigen Hochleistungsmilchzucht ist daher notwendig notwendig.

Zurecht kritisiert der BDM (Bundesverband Deutscher Milchviehhalter) die Position des Bauernverbandes, die Aufhebung der Milchquoten durch die EU mitzutragen. Damit  verliere er„jede Art von Glaubwürdigkeit als Interessensvertretung der Milcherzeuger, wenn er vorrangig die Industrieinteressen nach billigem Rohstoff stärkt.“

Das European Milk Board (ein Zusammenschluss von europäischen Milchviehhalterverbänden und Interessensverbänden für Landwirte), kritisiert die Agrarpolitik der EU scharf: Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise und durch falsche Weichenstellungen hätten allein die deutschen Milcherzeuger seit November 2008  rund 1,2 Mrd. Euro Milchgeldverlust erlitten.

Durch die Handelsliberalisierung – gestützt von Milliarden Euro für die Agrarwirtschaft – werde immer mehr Milch produziert. Die Überproduktion gefährde damit die Existenz kleiner Milchbauern in den Ländern der „Dritten Welt“, besonders in den ärmsten Regionen wie Afrika.

Die Kehrseite niedriger Preise

Aber auch der gegenwärtige Vorteil niedriger Preise für Milchprodukte hat eine Kehrseite: Durch die Handelsliberalisierung wird immer mehr Milch produziert, die zu günstigsten Preisen in den Supermärkten von ALDI, LIDL und anderen landet.

Effektiv arbeitende Großbetriebe verdrängen Kleinbauern und ruinieren so gewachsene landwirtschaftliche Strukturen. Hochsubventionierte Überschüsse werden zu Niedrigstpreisen auf dem Weltmarkt gehandelt. Dort haben die Kleinbauern keine Chance mehr, ihre Produkte zu fairen Preisen zu verkaufen. Mühselig aufgebaute lokale Milchgenossenschaften werden so zerstört, den Bauern die Existenzgrundlage entzogen.

Die Weichen für diese Entwicklung werden von den europäischen Agrarministern gestellt. Und hier werden die deutschen Vertreter nicht müde, die nationalen Interessen zu wahren. Ihre Politik zielt darauf, auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Zum Nachteil der Kleinbauern – in Europa und überall in der Welt und am Ende der Kette sind die Ärmsten der Armen.

Hinsichtlich der Exportsubventionen durch die EU hat die LINKE. einen klaren Standpunkt: So schnell wie möglich abschaffen! Diese Subventionen verzerren die Wettbewerbsbedingungen zuungunsten der Entwicklungsländer. Außerdem landen sie überwiegend in den Taschen der großen Exportfirmen und nicht der Bauern.

DIE LINKE unterstützt die Forderung nach fairen Erzeugerpreisen – auch bei der Milch.

Wir fordern politische Rahmenbedingungen, die auch in Zukunft eine Milcherzeugung in benachteiligten Regionen ermöglicht. Das gilt beispielsweise für Mittelgebirge, das Voralpenland oder Teile der norddeutschen Tiefebene. Die EU-Milchmarkt-Regelungen bieten in der jetzigen Form für immer mehr Betriebe keine Perspektive mehr. Die Milchproduzenten stehen am Anfang der „Milchkette“. Sie müssen an der Milchpreisbildung wirksamer beteiligt werden. Erst wenn ihre Interessen von Milchverarbeitern und Handel deutlicher berücksichtigt werden, können Perspektiven für die Milchhaltung in allen Regionen Deutschlands gesichert werden.

Milch- und Molkereiprodukte müssen darüber hinaus auch verzehrt werden und dürfen nicht zum Luxusgut mutieren. Hartz IV oder Niedrigstlöhne schließen immer mehr Menschen von gesunden Lebensmitteln aus.

Eine Erhöhung des ALG-II-Regelsatzes auf ein Existenz sicherndes Niveau und ein gesetzlicher Mindestlohn, wie von der LINKEN seit langem gefordert, sind auch aus diesem Grund längst überfällig.

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